Wirbelnde Werbe-Wahrheiten

on Dezember 1 | in 3 tagwerktipps, 6 Gastbeiträge, 9 Beiträge, Ideen, Träumereien | by | with No Comments

Ein einzelkämpfender Freelancer hat zum Glück selten damit zu tun, es sei denn er arbeitet dummerweise für sie: Die Werbung. Denn das Tolle ist ja, dass Kunden vom Himmel fallen, einem die Türe einrennen und die Mailbox derart mit Anfragen verstopfen, dass man sich vor Aufträgen kaum retten kann…Haha, only serious. Wenn es so einfach wäre, bräuchte ich das hier nicht schreiben. Wo kommt er also her, der nächste Kunde?
Wenn man Glück hat, gilt für einen die Gleichung, dass der letzte Kunde auch der nächste Kunde ist, wenn nicht?! …tja. Pech gehabt, denn dann heißt es: Akquise! Am besten eisgekühlte Kaltakquise, das macht am meisten Spaß, vorausgesetzt man hat seinen letzten Rest Stolz und Selbstachtung bereits verloren.
Wobei, eigentlich ein sehr, sehr schönes Wort, ein Wort, das man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen kann: Kalt-ak-qui-se. Akquise, so sagt es Wikipedia, stammt aus dem Lateinischen und leitet sich von ad quaerere ab, also „hin zum Erwerb“. Erworben werden sollen hier die Kunden. Im wahrsten Sinne geht’s also ums Er-Werben. Allerdings kann man quaerere oft treffender mit „erwerben wollen“ übersetzen (siehe Lateinwörterbuch), denn wer jemals Akquise gemacht hat, weiß, dass das Wollen oft stärker ist als die tatsächliche Ausbeute. Und „werben“, so erfährt man weiter, hat die gleiche Wortwurzel wie „wirbeln“. Die Werbung wirbelt also um die potenziellen Kunden herum!
polnische ReklameWenn man Privatsender schaut oder durch Großstadtstraßen oder polnische Kleinstädte fährt, weiß man, dass in diesem Zusammenhang wieder eine tiefe Wahrheit verborgen liegt, als ob die alten Germanen es schon gewusst hätten: Überall wirbelt Werbung unerlässlich um einen herum, immer in der -manchmal verzweifelt anmutenden- Hoffnung, ein leichtgläubiges Kundentier einfangen zu können. Die Werbung ist ein Derwisch, der sich selbst in Ekstase tanzt, um dem wahren Warengott näher zu kommen. Und vor lauter Ekstase kann man schon mal seine eigentliche Bestimmung vergessen und nur noch um sich selbst oder den ADC kreisen. „Wirbel“ heißt auf Latein, um mal die Kurve wieder zu kriegen, entweder turbo oder vertex. Ach, wie toll! Turbo-Werbung, das bräuchte man doch! Turbo kommt übrigens von turbare=stören. Na, das passt ja wie der Golf zum GTI! Werbung ist die Turboinjektion von Wa(h)renversprechen. Vertex auf der anderen Seite ist von vertere abgeleitet, was „sich drehen“ heißt.
Ja, ihr kleinen Schlaumeier, ihr ahnt es sicher schon: ad vertere, was „sich zu jemand hindrehen“ bedeutet, ist die lateinische Grundlage für Advertising, wie im Englischen die Werbung heißt. Und dann sieht man noch: vertere und „werben“ beruhen auf derselben indogermanische Wurzel (und turbare ist auch nicht weit weg) und so kriegen wir ganz wirbulös auch wieder den Bogen.

Wirbelnde Derwische

Doch trotz aller etymologischen Strudel hat die Akquise, wie der Freelancer sie dann in realiter betreibt, selten was mit Wirbeln, sondern eher mit zähem Waten im Schlamm der Selbstüberwindung zu tun. „Wie schön, eine Liste mit Agenturen, die kann ich ja mal eben heute abtelefonieren, ob sie nicht zufälligerweise schon immer auf meine Dienste gewartet haben.“ Ach ja. Putzige Idee. Doch ein eher hoffnungsloses Unterfangen -selbst wenn man es wirklich umsetzen würde. Dann vielleicht internettes Broadcasting? Tolle Homepage bauen (sich dabei von einem Freelancer-Nerd für teuer Geld helfen lassen), Mitglied bei XING und LinkedIn und Facebook und wiesiealleheißen werden, Twittern ist ja eh ein Muss, dabei die SEO nicht vergessen (da gibt es übrigens Freelancer, die so was anbieten) und am Ende steht bei Google der eigene Name ganz oben, wenn man nach „Grafik Design“ sucht… Na ja, sagen wir es mal so: Irgendwer wird schon mal über eure sauteure Homepage stolpern, da bin ich mir ganz sicher…
Also: Was hilft dann wirklich? Warmakquise! Vitamin-B, am besten mit Turboinjektion. All die Freunde und Familienmitglieder, die sich nicht wehren können, all die alten Schul- und Studienkollegen und die entfernten Bekannten, die man auf der letzten Betahaus-Party kennen gelernt hat und die jemand kennen, der jemand kennt, der evtl. jemand kennt… Genau das ist der Stoff, aus dem die zukünftigen Kunden geschnitzt sind. Also Leute, ad laridum[1]! Die Konkurrenz geht auch auf Partys.


[1] lat.: Ran an den Speck


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