Als ich gerade so an meinem zugemüllten Schreibtisch saß und darüber nachdachte, was man denn zum Thema Schreibtische schreiben könne, wollte mir partout nichts einfallen. Nur kurz überlegte ich, als Ersatzhandlung meinen Schreibtisch aufzuräumen, nahm aber sofort wieder Abstand davon. Denn falls mal jemand einen Wettbewerb für den unordentlichsten Schreibtisch ausloben sollte, wollte ich auf jeden Fall ganz oben mitspielen. Diese letzte Chance, auch mal was im Leben zu gewinnen, wollte ich mir auf keinen Fall versauen. Also versenkte ich mich in kontemplative Betrachtung des corpus delicti. Als Mann des Wortes ist auf meinem Schreibtisch, neben diversen Kaffeetassen und Gläsern, zwei Computern, einem Bild meiner Liebsten, einer Flaschenpost, Kopfhörern, Mäusen, Stiften, Lochern und Tackern, vor allem eins zu finden: Papier. Papier. Und noch mal Papier. Zum Teil in Buchform, meistens aber als Ausdrucke von eigenem und fremden Geschreibsel. (So viel zum Thema papierloses Büro.) Ach ja, und leider auch in Form eines Steuerbescheides, der mich ob seiner Höhe auch weiterhin in Knechtschaft halten wird (tja, hätte ich 2010 schon Tagwerk benutzen können, dann wäre mir das wohl nicht passiert). In den Regalen hinter mir: Noch mehr Papier. Wahrscheinlich hab ich zweimal den Inhalt meiner Festplatte als Ausdruck hier rumfliegen. Was für ein Glück nur, dass man Musik nicht drucken kann.
Wenn man so auf das Chaos vor einen blickt, kommen einem natürlich schon Selbstzweifel: Bin ich etwa faul? Bin ich ein Schlamp? Bin ich ein schlechter Mensch? Und es stellt sich mir die Frage, ob wie bei Hemingway innere = äußere Welt gilt, was bedeuten würde, dass es in mir auch so unordentlich aussieht. Letzteres kann ich ohne Probleme bejahen. Ich bin aber sehr geneigt, das als kreatives Chaos zu bezeichnen. Denn letztlich sind unaufgeräumte Schreibtische wie auch konfuse Oberstübchen nichts anderes als fruchtbare Memotope, in denen das Genie aufblüht. Überhaupt Memotope. Tolles Wort. Meine Erfindung. Benannt diese lustigen kleinen Gedankenviechern, die Richard Dawkins in den 70ern in seinem Buch „Das egoistische Gen“ eingeführt hat. Heutzutage kennt man das Mem-Mem vor allem durch Internet-Meme, also die vielen lustigen YouTube-Filmchen und putzigen Katzenbildchen, die per Facebook & Co viral gehen. (Ist eigentlich schon mal jemand aufgefallen, dass die nervigen Mails mit den lustigen Links seit Facebook drastisch zurückgegangen sind? Danke, Facebook!) Aber das ursprüngliche Memkonzept umfasst natürlich viel mehr. Meme kann man sich als so eine Art geistiger Schnupfenvirus vorstellen, der von Mensch zu Mensch hüpft, der sich aber gerne auch auf Papier wiederfindet, z.B. auf meinem Schreibtisch, um die menschliche Kultur voranzutreiben.
Aber schön das auch alles klingt mit den Memotopen und dem kreativen Chaos, so muss doch erwähnt werden, dass es auch eine dunkle Seite gibt. Doch dazu später mehr.
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