Eine Weiche ist eingefroren –aus einer Weiche ist also eine Harte geworden – und nun geht nichts mehr – zumindest im Zug. Außerhalb des Zuges beginnen Meetings, fahren Anschlußzüge und warten Menschen auf Bahnhöfen –wahrscheinlich mittlerweile auch eingefroren. In mir breitet sich eine Ruhe aus – ich kann ja nichts machen. Nicht auf ein Lenkrad trommeln, nicht nach einem anderen Sender suchen, nicht den Gang wechseln – einfach nur da sitzen. Noch kurz eine SMS „Weiche eingefroren – komme später“ und dann habe ich Zeit. Keine bemessene, geplante Zeit, keine Zeit mit definierten Anfang oder Ende. Sie kommt und ist einfach da – geschenkte Zeit in der ich machen kann, was ich will. Sie schiebt sich einfach dazwischen, alles andere muß warten. Und ich kann alles das machen, wozu ich sonst nicht komme – herrlich.
Aus der Definition zum Zeitgefühl:
Untersuchungen haben ergeben, dass es für die Dauer eines objektiven Vorgangs keine speziellen Zellen im Gehirn gibt, die eine Messung des Zeitablaufs vornehmen. Das Gehirn stützt sich bei der Einschätzung der Verlaufsdauer eines objektiven Vorgangs auf ein Maß der geistigen Tätigkeiten, die aus der Beschäftigung während des Vorgangs resultieren.
Quelle Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitgef%C3%BChl)
Da Warten kein Vorgang ist, gibt es auch kein Zeitgefühl. „Nein danke ich möchte nichts aus dem Bordbistro“, ein kurzes Ruckeln, es geht weiter. Waren das jetzt fünf Minuten oder dreißig? Ich weiß es nicht.
Umsteigen in Hannover – wenn ich auf die Anzeigetafel schaue, dann muß mein Anschlußzug heute wohl der einzige gewesen sein, der heute pünktlich fuhr. Nun bin ich gestrandet, sitze in der Lounge und warte auf den nächsten Zug. Hektisch laufen Menschen hin und her, müssen zum Zug, zum Meeting, noch telefonieren. Mein Anschlußzug kommt in 30, 40, 50 Minuten. Meine Zeitblase wächst und wächst – das Laptop vor mir sitze ich versunken vor meiner Arbeit. Was? Wo bin ich? Oh, nun aber schnell.
Rückfahrt: Seit Stunden fahren wir durchs Dunkle. Wenn ich raus schaue, sehe ich nur mich – und das verschneite Nachbargleis. Daß wir fahren, merke ich nur durchs Geruckel. Wir sind wieder zu spät, bei jedem Halt werden ein paar Minuten mehr aufgesammelt, aktuell haben wir 70 Minuten. Um mich herum ein Gespräch der Gattung „Und es war schrecklich“ – was man nicht alles auf einer Bahnfahrt erlebt – Hauptsache schrecklich – variabel nur das Adjektiv davor: unpünktlich, unfreundlich, unorganisiert. Und zum Abschluß mein Lieblingssatz – „und das in Deutschland“. Erschöpft durch den Tag fehlt jetzt die Kraft, die Zeit zu nutzen. Deshalb muß ich aufpassen, daß sich die Zeiträume nicht zu einem Tunnel verengen in dem ich gefangen bin. Der sich wie ein endloser Schlauch durchs Land zieht und an dem ich nur am Ende raus kann – das Ganze bekommt dann etwas Fiebriges, Minuten ziehen sich endlos lange dahin. Da hilft nur eine stumpfsinnige Arbeit, die mich ablenkt, die nicht besonders aufregend ist, aber worüber ich mich freue, wenn sie erledigt ist – also Pixel schubsen durch Münster, Pixel Schubsen durch Bremen, Pixel schubsen durch Harburg – endlich Altona.
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