Selbständigkeit in der Corona Krise
Um die Verbreitung des Corona Virus einzudämmen gelten in Deutschland seit Mitte März neue vorübergehende Kontaktbeschränkungen.
Wir befinden uns in der grössten Krise seit dem 2. Weltkrieg – Zitat Angela Merkel – Das öffentliche Leben ist lahmgelegt, Geschäfte und Restaurants geschlossen. Freelancer, Soloselbständige und Kleinunternehmer treffen diese neuen Regelungen am härtesten. Die Regierung in Deutschland hat schnelle Hilfe versprochen.
Durch Jobverlust und Auftragsstornierung geraten einige in Panik, andere wiederum sehen es eher gelassen und vielleicht auch eine Chance etwas zu ändern oder neu zu machen.
Wir haben Selbständige im Interview gefragt wie sie mit dieser sehr ungewöhnlichen Zeit umgehen. Was sie machen und wie sehr es ihr gewohntes Leben auf den Kopf stellt.
Für diesen Blog haben wir unsere internationalen Kontakte genutzt, denn diese Krise ist weltweit unterwegs.
Somit stellen wir euch in unserem nächsten Beitrag Tobi Dahmen vor. Er ist Illustrator, kommt aus Deutschland, lebt und arbeitet in Utrecht, Niederlande.
Vorstellung: Bitte stell dich kurz vor. Wer bist du?
Hallo, mein Name ist Tobias Dahmen, ich bin Illustrator und Comiczeichner. Ich bin am Niederrhein aufgewachsen, hab in Düsseldorf Visuelle Kommunikation studiert und lebe seit 2008 mit meiner Familie in Utrecht im Herzen der Niederlande.
Berufsbezeichnung: Was machst du? Beschreibe deine Tätigkeit.
Als Illustrator arbeite ich vor allem für die unterschiedlichsten Unternehmen, aber auch für viele (Werbe)agenturen und Verlage. Die meisten meiner Aufträge richten sich an Kinder, aber ich entwerfe in meinem Comicstil auch beispielsweise Sympathieträger oder Kommunikationsmedien für Unternehmen. Daneben zeichne ich auch autobiografische Comics. Meine Graphic Novel „Fahrradmod“ über meine wilde Jugend in den 80er und 90er Jahren erschien 2015 bei Carlsen, gerade hab ich einen Kurzcomic im Auftrag des Comic Salons über die aktuelle Arbeit im Home Office fertig, und daneben ist eine längere Graphic Novel über die Geschichte meiner Eltern und Großeltern geplant, die „Columbusstrasse“.
Wie bist du zu diesem Beruf gekommen? Warum hast du diesen Weg gewählt? Oder anders gesagt, was hat dich Inspiriert, gab es eventuell ein Vorbild, dass in diesem Bereich gearbeitet hat?
Ich hab immer schon gerne gezeichnet, und war immer massiv abgelenkt, wenn Comics in der Nähe waren. Ich konnte mir eigentlich nichts anderes für mich vorstellen. Für jeden Zeichner sind erstmal die zahlreichen großen Zeichner ein Vorbild, es gibt da nicht nur eins, weil es ja so viele Aspekte gibt, die sich zeichnerisch umsetzen lassen. Ich bin aber vor allem von den klassischen Zeichnern der frankobelgischen Schule inspiriert, wegen ihrer klaren Linie und ihrer detailreichen Umsetzung. Gleichzeitig liebe ich die Illustratoren und Designer der fünfziger und 60er Jahre.
Weil Illustration an meiner Fachhochschule abgesehen von den Kursen von Wolf Erlbruch eher stiefmütterlich behandelt wurde, dachte ich, ich würde wahrscheinlich auch als Gestalter in einer Agentur landen. Bis mir dann ein Fotografiedozent den Kopf gewaschen hat und meinte: „Wieso willst Du ein mittelmässiger Gestalter sein, wenn Du ein guter Illustrator bist?“ Das hab ich mir zu Herzen genommen, hab während des Studiums schon die ersten Jobs gemacht und dann hat sich das verselbständigt. Sicherlich geholfen hat, daß Düsseldorf eine Agenturhochburg ist, da gab es also auch genug zu tun.
Wie gehst du mit dieser Krisensituation um? Wurden deine Aufträge storniert oder verschoben? Kannst du die Corona Hilfe beantragen? Und wenn ja tust du das?
Wir Illustratoren sind ja Stubenhocker par excellence, auf meinen Arbeitsalltag hält sich der Effekt also in gewissen Grenzen. Ich hab allerdings mein Equipment auch nach Hause geholt, es fühlt sich besser an, jetzt bei der Familie zu sein. Bisher wurden keine Aufträge storniert, aber ich habe gerade die letzten grösseren fertig gestellt und bin gespannt, wie es weitergeht. Zum Glück hab ich in diesem Frühjahr ungewöhnlich viel zu tun gehabt, schon beinahe zu viel, dadurch hab ich jetzt ein klein wenig Rücklagen. Wobei das in unserer Zunft natürlich nie viel ist. Die niederländische Regierung hat direkt Hilfen zur Verfügung gestellt, mit „tiefen Taschen“, wie sie sich ausgedrückt haben. Es gab noch kurz ein wenig Ärger, weil unser Wirtschaftsminister erst noch verkündete, das gelte nicht für Selbstständige, weil die sich ja ein gewisses unternehmerisches Risiko selbst ausgesucht hätten. Daraufhin gab es verständlicherweise großen Protest, woraufhin die Selbstständigen auch Recht auf Unterstützung bekommen haben. Für die ersten drei Monate kann jeder Hilfe von bis zu 1.500 Euro beantragen. Plus Aussetzungen von Steuerzahlungen etc. Ich hatte zunächst überlegt, ob ich die Hilfe auch beantragen soll, als Rücklage für später. Da ich aber durch noch laufende Projekte noch weiterhin Einkommen hatte während besagter drei Monate, hab ich’s dann gelassen. Ich denke, daß ich es erst in einiger Zeit merken werde, wenn Unternehmen vielleicht vorsichtiger werden, Geld auszugeben. Gleichzeitig sehe ich aber gerade nun ein großes Bedürfnis an guter Kommunikation. Wir werden noch lange mit diesen Umständen zu tun haben und die neuen Maßnahmen müssen ja auch individuell umgesetzt werden und an Kunden sowie an Mitarbeiter weitergegeben werden. Insofern hoffe ich, daß es da weiterhin genug für uns zu tun gibt. Melden Sie sich gerne 🙂
Hat sich deine Arbeitsweise verändert? Glaubst du dass sich die Arbeitswelt und Einstellungen zu Freizeit verändern wird?
Wie oben schon erwähnt, nicht allzu sehr. Der grösste Unterschied ist vielleicht, daß ich normalerweise die Aufträge auf mich zukommen lasse. Nun probiere ich mit geschätzten Kollegen, mit denen ich bereits erfolgreich zusammengearbeitet habe, unsere Kräfte zu bündeln und vorausschauend darüber nachzudenken, wo unsere Arbeit gerade massiv nötig ist. Das finde ich auch sehr spannend und ungemein befriedigend. Man schätzt die eigene Arbeit wieder auf eine ganz neue Art und merkt, daß andere das auch tun
Hast du hilfreiche Tipps für uns und unsere Leser?
Hm, gute Frage. Ganz banal: positiv bleiben. Ich weiss, das ist schwierig für jemanden, bei dem gerade alles wegbricht. Nach neuen Möglichkeiten schauen, und dafür genau hinhören, was die Leute bewegt, und was sie brauchen. Beschäftigt bleiben, und wenn man nur was für die Nachbarschaftshilfe leistet. Unser gesamtes System beruht auf Vertrauen, ich vertraue darauf, daß mit der Zahl, die mein Kunde auf mein Konto überweist, ich Geld aus dem Automaten ziehe, und ich mir davon in der Kneipe ein Bier kaufen kann. Ich vertraue darauf, daß es im Supermarkt auch morgen noch Klopapier gibt und ich deshalb keine Riesenvorräte horten muss. Ich vertraue darauf, daß unser Gesundheitssystem und unser Sozialsystem immer noch funktioniert und es nicht so schlimm kommen wird, wenn wir alle mithelfen. Das bedeutet eben auch mithelfen, in dem man sein Vertrauen nicht verliert. Ja, vielleicht ist das naiv, aber ich bin ja auch nur Comiczeichner. Ich bin bisher aber mit dieser Einstellung ganz gut gefahren. Es geht uns hier verdammt gut. Zum Vergleich: Im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos, wohnen 25.000 Leute, 1.300 Menschen müssen sich jeweils einen Wasserkran teilen. da wird es schwierig, sich regelmässig die Hände zu waschen.
Zu guter Letzt was wünschst du dir wenn die Krise vorbei ist? Was wirst du als erstes tun?
Ich werd als erstes meine Mutter besuchen, die in Deutschland alleine zuhause sitzt. Und ich freu mich wahnsinnig darauf, meine Freunde wiederzusehen. Und dann setz ich mich mit meiner Frau und unseren Kindern auf eine Terrasse in der Stadt, bestell mir ein Bier und freu mich darüber, daß ich so großartige Menschen um mich herum habe. Ich hoffe darauf, daß wir niemanden vermissen werden.
Vielen Dank für das Gespräch und deine Zeit!
Tobias Dahmen
Comic & Illustration
@Pauwerstation
Pauwstraat 7
NL 3512 TG Utrecht
Telefon + 31 30 231 32 77
Mobile +31 6 2421 67 68
tobi@tobidahmen.de
www.tobidahmen.de
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