Da sitze ich in unserem „Meetingraum“ auf den Sesseln aus braunem Kunstleder. Auf dem Tisch vor mir (brauner Holztisch mit fleckiger Marmorplatte – Stil Siebziger), also auf diesem Tisch liegt vor mir ein Zettel. Auf dem soll die neue Grafik für unseren USP entstehen. Unique Selling Proposition – von meinem Platz kann ich wunderbar den Verkehr beobachten. Gerade versucht sich, ein Polizeiwagen mit Blaulicht den Weg durch den Verkehr zu bahnen. Erstaunlich, wie lange manche Fahrer brauchen, bis sie merken, dass sie selbst im Moment das Problem sind. Ich schaue also auf die Straße statt auf den Zettel und mache mir Gedanken über ganz andere Dinge und auf dem Zettel steht – nichts. Naja nichts ist übertrieben. Oben steht „MEHRWERT“ – unser Wort für USP. Die Grafik hat also schon mal einen Namen. Nun steht eine wichtige Entscheidung an – verträgt mein Körper noch einen Kaffee?
Schluss jetzt – jetzt wird gearbeitet: Ich beginne systematisch, schwungvoll entsteht ein Kreis. Kreis ist immer gut. Keine Kanten, keine Ecken. Noch ein Paar Pfeile dran, dann habe ich so etwas wie ein Kreislauf, in dem sich alles gegenseitig bedingt. Das hat fast etwas Meditatives. Oder doch besser ein Dreieck? – das Symbol der Ausgewogenheit. Etwas was auf drei Beinen steht, kann nicht wackeln. Ein Quadrat, das ist es – nein doch nur zwei Punkte mit Pfeilen, die die Wechselwirkung zwischen ihnen beschreiben. Gerald kommt vorbei, kurzer Blick von hinten über meine Schulter: „Was schmierst Du denn da“ – OK Kaffee.
Drei Stunden später: Ich hole unsere Kinder aus dem Kindergarten ab. Ich suche den Helm. Dazwischen kommt eine Frage von meinem Sohn – meine Antwort: Nein wir sind nicht verabredet – wo war noch mal der Helm? – Ich muss meine Antwort wiederholen: Nein wir sind nicht verabredet – wo ist der Helm? Nächste Frage – nächste Antwort: Nein den schönen Hubschrauber aus Pappkartons kann ich auf dem Fahrrad nicht mitnehmen. Nein hinten auf dem Fahrrad sitzt Dein Bruder. Aber weißt Du, wo Dein Helm ist? Plötzlich ist sie da – die Grafik zum Mehrwert. Klar und einfach steht sie mir vor Augen. Ideen lassen sich eben nicht erzwingen. Das ist, wie Sterne gucken – in der Mitte der Netzhaut ist ein dunkler Fleck, und wenn man dann direkt auf den Stern schaut, dann sieht man ihn nicht. Man muss leicht daneben schauen, und dann sieht man ihn, den Stern oder eben die Idee. Da frage ich mich natürlich, warum ich mich und die geometrischen Formen heute Morgen so gequält habe. Aber ich glaube, dass gehört auch dazu. Wie beim Sterne schauen muss ich erst eine Zeit ins Dunkle starren – also auf die chaotische Anordnung von Worten und Zeichnungen und dann muss ich mein Hirn damit in Ruhe lassen. Das arbeitet dann auch ohne mich weiter. Ich kenn das auch vom Mittag oder vom Feierabend. Ich kann mein Hirn dann nicht abstellen – das will noch weiter machen. Wie Blasen kommen immer wieder Gedanken, Fragen oder Ideen hoch. Schade nur, dass man das nicht steuern kann. Auch auf das Erscheinen der Lösung kann man sich nicht verlassen. Manchmal geht es schnell, manchmal dauert es lange und manchmal kommt sie nie. Dann muss ich wieder malen gehen.
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